bei Dr. Andrea Engeler
Frau Engeler, das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) war während der vergangenen Monate enorm gefordert. Zu Beginn der Coronakrise im Frühling 2020 mussten sie zur Bewältigung der Kurzarbeitsgesuche 100 zusätzliche Mitarbeitende anstellen. Hat sich die Situation inzwischen entspannt?
Im Frühling 2020 erhielten wir in sehr kurzer Zeit Kurzarbeitsgesuche von über 28‘000 Betrieben, gegenüber den zuvor etwa 120 Gesuchen pro Jahr. Für deren Abwicklung setzten wir in den ersten Wochen rund 100 zusätzliche Personen aus anderen Abteilungen des AWA und weiteren Verwaltungseinheiten ein. Wir haben diese Überbrückungszeit genutzt, um ein Support-Center Kurzarbeit mit befristeten Mitarbeitenden aufzubauen. Hilfreich war überdies das vom Bundesrat verabschiedete summarische Verfahren zur Abwicklung der Kurzarbeit, welches uns den temporären Einsatz eines vom Kanton Zürich entwickelten Software-Roboters ermöglichte. Das hat die Situation tatsächlich etwas entspannt. Im Oktober 2021 wird nun wieder das ordentliche Verfahren eingeführt. Das bedeutet, dass der Bearbeitungsaufwand sowohl für die Unternehmen wie auch für uns nochmals zunehmen wird. Wir haben monatlich immer noch mehrere Tausend Anträge für Kurzarbeitsentschädigung – und sind dementsprechend also weiterhin stark gefordert.
Während der Lockdowns haben viele Arbeitnehmende im Homeoffice gearbeitet. War das auch im AWA der Fall?
Wir haben bereits zu Beginn der Corona-Pandemie rasch die wichtigsten Vorkehrungen zum Schutz unserer Mitarbeitenden getroffen. Mit der Homeoffice-Pflicht war es dann der Grossteil unserer gegen 1100 Mitarbeitenden, die ihre Aufgaben von zuhause aus wahrnahmen. Es konnten jedoch nicht alle Tätigkeiten ins Homeoffice verlagert werden. Wir haben auch berücksichtigt, dass die persönliche Wohnsituation nicht in jedem Fall eine Arbeit von daheim aus zulässt. So war je nach betrieblicher und persönlicher Situation auch das Arbeiten im Büro in begründeten Fällen weiterhin möglich. Aufgrund der ausgedünnten Räumlichkeiten waren die schützenden Abstände jederzeit ausreichend gegeben. Auch haben wir das repetitive Testen eingeführt.
Digitale Arbeitsmodelle haben aufgrund der Pandemie einen enormen Schub erhalten. Wird das aus Ihrer Sicht auch Auswirkungen darauf haben, wie wir nach der Coronakrise arbeiten?
Wir hören von vielen Unternehmen, dass sie die gemachten Erfahrungen nun genau analysieren und die Arbeitsprozesse entsprechend weiter digitalisieren und anpassen wollen. Es gibt auch Betriebe, die aus der Not heraus Online-Angebote einführten, ihre Prozesse nun darauf ausgerichtet haben und die neuen, zusätzlichen Absatzkanäle weiter nutzen wollen. Im AWA haben wir gute Erfahrungen gemacht mit Online-Meetings sowie den digitalen Arbeitsinstrumenten, welche das SECO für Arbeitgebende und Stellensuchende in der Zwischenzeit eingeführt hat. Damit arbeiten unsere RAV sowie unsere kantonale Amtsstelle der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenkasse. In welchem Ausmass und in welchen Branchen sich digitale Arbeitsmodelle langfristig durchsetzen werden, muss noch abgewartet werden. Bezüglich der Umsetzung des Homeoffice stellen sich auch sehr viele rechtliche Fragen, welche heute noch nicht beantwortet sind.
Oft ist zu hören, dass Homeoffice bei Mitarbeitenden beliebter ist als bei Vorgesetzten. Was sind Ihre diesbezüglichen Erfahrungen? Und wie führen Sie Ihre Mitarbeitenden aus der Distanz?
Grundsätzlich sind unsere Erfahrungen mit Homeoffice sehr gut und wir haben in der Geschäftsleitung neu eine Homeoffice-Regelung verabschiedet, die das zeitweise Arbeiten von zuhause aus auch weiterhin ermöglicht. Der Führung auf Distanz schenkten wir von Anfang an grosse Beachtung. Die gemachten Erfahrungen von Mitarbeitenden und Vorgesetzten bestätigten viele positive Aspekte, beispielsweise den eingesparten Arbeitsweg oder mehr störungsfreies und konzentriertes Arbeiten. Gleichzeitig wurden auch Nachteile offensichtlich: Der spontane Austausch fehlte, an die Besonderheiten von Online-Meetings mussten wir uns alle zuerst gewöhnen und dem Teamzusammenhalt musste besondere Beachtung geschenkt werden. Die Führungskräfte im AWA sind sensibilisiert, ihrer Fürsorgepflicht auch spezifisch mit Blick auf Homeoffice nachzukommen.
Wenn Zehntausende Arbeitnehmende von zuhause aus tätig sind, bleiben viele Büros leer. Was würde es für den Wirtschaftsstandort Zürich bedeuten, wenn eine Mehrheit der Betriebe auch weiterhin auf mobile, digitale Arbeitsformen setzt?
Die Entwicklungen werden vielfältig und differenziert sein. Wir gehen davon aus, dass Corona bezüglich Homeoffice eine nachhaltige Veränderung bewirkt hat. Das heisst, die Zahl der Beschäftigten, die von zuhause aus arbeiten, wird langfristig ansteigen. Jedoch zeigen verschiedene Studien, wie wichtig der soziale Austausch für ein funktionierendes Geschäftsklima und für die Entwicklung von Innovationen ist. Die meisten Unternehmen werden deshalb wohl auf Mischformen setzen, so dass die Mitarbeitenden regelmässig auch im Büro arbeiten, was übrigens von den meisten auch gewünscht wird. Für den öffentlichen Verkehr und die Restaurants in den Zentren und Städten ist der Anstieg von Homeoffice zweifelsohne eine grosse Herausforderung. Auch der Immobiliensektor wird die Veränderungen nachhaltig spüren. Gleichzeitig wird es auch Gewinner geben, wie etwa die Läden und Dienstleister in den Wohnquartieren.
Hat sich das AWA bereits mit solchen Zukunftsszenarien auseinandergesetzt?
Wenn Sie mich auf den Wirtschaftsstandort und seinen Strukturwandel ansprechen, kann ich bestätigen, dass wir Megatrends wie die Digitalisierung, die Internationalisierung oder den demographischen Wandel der Gesellschaft, vor allem ihre Alterung, gezielt auf unsere Tätigkeitsfelder hin beobachten. Unsere Anspruchsgruppen sind die Unternehmen, die Arbeitnehmenden und Stellensuchenden im Kanton Zürich. Für sie erbringen wir relevante Leistungen und müssen unser Vorgehen frühzeitig an kommenden Herausforderungen und Chancen orientieren. Es ist mir als Amtschefin sehr wichtig, dass wir nah am Puls der Zeit bleiben.