bei Jörg Kündig
Herr Kündig, die Zürcher Gemeinden sind gesetzlich dazu verpflichtet, für eine bedarfs- und fachgerechte stationäre und ambulante Pflegeversorgung ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zu sorgen. Wie stellen die Gemeinden dieses Pflegeangebot sicher?
Es gilt zu unterscheiden zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Die ambulante Versorgung wird in aller Regel durch die Spitex-Organisationen wahrgenommen. Früher waren es hauptsächlich gemeindeeigene, jetzt erfüllen diese Aufgabe aber auch zunehmend regionale Organisationen, mehrheitlich mit Leistungsauftrag. Die stationäre Versorgungsaufgabe übernehmen Alters- und Pflegeeinrichtungen. Auch diese in unterschiedlicher Ausprägung. Manche werden von den Gemeinden direkt betrieben oder sie haben zumindest die Führungsverantwortung. In anderen Gemeinden wiederum, wird dieses Angebot mit Leistungsaufträgen an Dritte oder gar in der Form von regionalen, gemeindeübergreifenden Einrichtungen sichergestellt.
Sehen Sie eine Tendenz hin zur Zusammenarbeit mit privaten Anbieterinnen und Anbietern bzw. zur Privatisierung der gemeindeeigenen Angebote?
Sowohl bei der stationären als auch der ambulanten Versorgung würde ich nicht von einer Tendenz in Richtung Privatisierung sprechen. Erkennbar ist hingegen die Bereitschaft der Gemeinden, über ihre Grenzen hinaus zu denken. Private Lösungen in Erwägung zu ziehen scheint sich zu entwickeln, gerade bei der ambulanten Versorgung, wo sich zunehmend entsprechende Leistungserbringer anbieten. Bei der stationären Pflegeversorgung wächst die Erkenntnis, dass überkommunale Lösungen und die Zusammenarbeit mit Privaten über Leistungsvereinbarungen helfen können, das Risiko als Restfinanzierer zu reduzieren.
Apropos Restfinanzierung: Die Gemeinden müssen die verbleibenden Kosten nach Abzug der Beiträge der Krankenversicherer und der Leistungsbezüger tragen. Welche Möglichkeiten haben die Gemeinden Ihrer Erfahrung nach, auf die Entwicklung dieser Kosten Einfluss zu nehmen?
Restfinanzierer sind die Gemeinden im Regelfall dort, wo die Leistungserbringer in ihrem Besitz sind oder mit denen die Gemeinden entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen haben. Es gibt verschiedene Modelle, das Risiko der Restkosten zu reduzieren. Einerseits durch Wahrnehmung der direkten Führungsverantwortung und einer verstärkten wirtschaftlichen Optik in den Einrichtungen und Organisationen. Auf der anderen Seite sehe ich bei Verselbständigungen oder gar Abgabe der Aufgabe an private Trägerschaften durchaus Vorteile. Dann könnte bei den stationären Leistungserbringern der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich ein Überangebot an Betten entwickelt und über befristete Leistungsvereinbarungen auf die Kosten eingewirkt werden.
Wie sehen Sie grundsätzlich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Bereich Pflegeversorgung? Gibt es auch Gemeinden, die Schwierigkeiten haben die Nachfrage zu decken?
Wie gewünscht entwickelt sich die Nachfrage deutlich in Richtung der ambulanten Versorgung. Ausserdem treten sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich immer mehr private Anbieter in Erscheinung. Im Bereich der stationären Pflegeversorgung besteht wohl eher das Risiko eines Überangebotes. Insbesondere auch deshalb, weil neue, kombinierte Wohnformen entstehen. Anders sieht es bei der ambulanten Versorgung aus. Das Angebot wird zur Hauptsache durch die personellen Ressourcen limitiert. Deren angestrebte Stärkung, insbesondere auch mit dem Anspruch, dass die Leistungserbringer 7/24 zur Verfügung stehen, wird vor allem die Spitex-Organisationen zusätzlich belasten. Hier sind Massnahmen und finanzielle Mittel vorzusehen, um die künftige Entwicklung zu bewältigen.
Was ist aus Ihrer Sicht das Hauptanliegen der Zürcher Gemeinden im Bereich Pflegeangebot und Pflegefinanzierung?
Natürlich beschäftigt uns die Kostenentwicklung, aber zunehmend gewinnen Koordinations- und Zusammenarbeitsfragen an Bedeutung. Sowohl die ambulante als auch die stationäre Versorgung können und sollen vermehrt regional oder gar überregional stattfinden. Entsprechend sind Absprachen über die Gemeindegrenzen hinaus wichtig. Auch der Umgang mit privaten Anbietern wird zur Herausforderung, da diese zunehmend die Einrichtungen der öffentlichen Hand konkurrenzieren.