Zur Ausstandspflicht
§ 42 des Gemeindegesetzes (GG) kennt eine Ausstandspflicht von Mitgliedern sowie Schreiberinnen und Schreibern von Behörden bei der Beratung und Beschlussfassung. Entgegen diesem engen Wortlaut trifft diese Ausstandspflicht auch alle Personen, die in irgendeiner Weise auf ein Geschäft Einfluss nehmen können. Darüber hinaus gilt der Ausstand nicht nur bei der Mitwirkung in der Behördensitzung selbst und für die Beschlussfassung, sondern auch für die vollumfängliche Vorbereitung eines Geschäftes.
In Bezug auf die Ausstandsgründe verweist das GG auf § 5a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRP). Danach ist ein Ausstandsgrund gegeben, wenn eine Person in der Sache persönlich befangen erscheint, insbesondere, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse hat oder mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt, verschwägert oder durch Ehe, Verlobung, eingetragene Partnerschaft, faktische Lebensgemeinschaft oder Kindesannahme verbunden ist. Eine persönliche Befangenheit liegt auch dann vor, wenn eine Person Vertreter/in einer Partei ist oder für eine Partei in der gleichen Sache tätig war.
Bei der Auslegung der Ausstandsgründe ist zu beachten, dass in kleinräumigen Verhältnissen die Entscheidungsträger/innen viele Bürgerinnen und Bürger kennen und sogar im Rahmen einer Vereinstätigkeit auf informeller «Du»-Basis miteinander interagieren. Dies allein reicht jedoch nicht aus für die Annahme eines Ausstandes. Dies gilt auch für das Behördenmitglied selbst, das sich allein aus solchen Gründen nicht unangenehmen Entscheidungen entziehen kann. Die Prüfung der Ausstandsfrage ist eine Amtspflicht. Wer sich als ausstandspflichtig vermutet, muss die Ausstandsfrage stellen und die Behörde hat die Ausstandsfrage von Amtes wegen, also nicht nur bei Vorliegen eines Begehrens, zu prüfen. Bei Streitigkeiten über den Ausstand entscheidet die Aufsichtsbehörde oder bei einem Mitglied einer Kollegialbehörde diese Behörde selbst, jedoch unter Ausschluss des betreffenden Mitglieds (§ 5a Abs. 2 VRG).
Es wird häufig verkannt, dass es nicht darauf ankommt, ob sich eine Person als befangen betrachtet. Wichtiger ist, ob es objektive Gründe gibt, die den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Es ist also nicht erforderlich, dass eine Person tatsächlich befangen ist; es genügt der objektiv gerechtfertigte Anschein. Eine Befangenheit schliesst eine Person von der Mitwirkung an einem einzelnen Geschäft aus. Die Ausstandsvorschriften sollen somit eine unsachliche bzw. unkontrollierte private Beeinflussung von Entscheiden durch Befangenheit im Einzelfall unterbinden. Davon zu unterscheiden sind die Unvereinbarkeitsbestimmungen, welche aus personellen Gewaltenteilungsgründen die Übernahme eines Amtes verhindern. Für Parlamentsmitglieder gelten eigene Vorschriften, die in § 32 des GG festgelegt sind. Die Ausstandsvorschriften sind hier enger gefasst. Es besteht keine Ausstandspflicht bei rechtssetzenden Geschäften, selbst wenn ein Parlamentsmitglied von einem solchen Geschäft stärker betroffen ist als ein anderes Mitglied. Zum Beispiel besteht keine Ausstandspflicht, wenn das Grundstück eines Mitglieds von einer Umzonung betroffen ist. Auf die Stimmberechtigten sind die Ausstandsvorschriften nicht anwendbar, da es in der Natur der direkten Demokratie liegt, dass die an einer Gemeindeversammlung teilnehmenden Stimmberechtigten über alle Vorlagen entscheiden können, ungeachtet einer persönlichen Betroffenheit.
von Dr. Peter Saile